Das Leben ist ein steiniges Bett.
for English please check my SUBSTACK
Lehn Dich zurück und stell dir vor, wie es wäre, wenn »alles gut« wäre. Wenn Du endlich den großen Traum erfüllt hättest, auf den Du so lange hingearbeitet hast. Wenn Du endlich dieses Stadium erreicht hättest, in dem es Dir an nichts mehr fehlen würde und es nichts mehr zu wünschen gäbe.
Endlich ist das Leben so richtig bequem. Du hast genug Geld, um von einem Urlaub in den nächsten zu düsen. Du kannst Dir kaufen, was Du willst. Deine Kinder sind selbstständig und Du bist immer noch jung und fit genug, um Dir keine Sorgen über Deine Gesundheit machen zu müssen. Und jetzt?
Viel Spaß beim Schreiben des nächsten Buches!
Kae Tempest singt in »Hold your own«
Nothing you can buy will ever make you more whole
This whole thing thrives on us feeling always incomplete
And it is why we will search for happiness in whatever thing it is we crave in a moment
And it is why we can never really find it there
It is why you will sit there with the lover that you fought for
In the car you sweated years to buy
Wearing the ring you dreamed of all your life
And some part of you will still be unsure that this is what you really want
Stop craving
Hold your own
Holding your own bedeutet, ja zu sagen zu deinem täglichen Scheiß. Zu Deinen Problemen, deinen Sorgen und Nöten und zu deinen Ängsten. Zu deiner ganz persönlichen Last.
All das nicht von Dir zu schieben oder mit Geld zu betäuben, sondern es Dir anzusehen, es zu verstehen, damit umzugehen und es zu überwinden, um daran zu wachsen.
Was ist eine Heldenreise anderes als eine Geschichte über einen Menschen in Schwierigkeiten? Jemanden, der sich seinen Herausforderungen stellt und sie überwindet? Und warum lieben wir diese Geschichten? Weil wir uns als ein Teil davon fühlen können, wenn wir sie hören. Weil jedes Leben von jedem Menschen auf dieser Erde eine Heldenreise ist. Weil für jeden von uns sein Päckchen insgeheim das Schwerste ist. Wir lernen aus Fehlern. Nicht aus Erfolgen.
Für uns Schriftsteller ist es kein Geheimnis, dass unsere besten Texte oft in Phasen des Leids entstehen. Für uns ist es eine elementare Sache, unsere eigenen Schwierigkeiten anzunehmen und darüber zu schreiben. Wenn wir ein bequemes Leben hätten, wären unsere Texte flach und aufgesetzt. Unglaubwürdig. Die Leser würden die Probleme unserer Figuren nicht glauben und auch nicht nachvollziehen können.
Wir müssen dahin, wo es weh tut. Dorthin, wo viele andere – ihr eigenes Leben betreffend - nicht so gerne hingehen. Worüber sie lieber in einer Geschichte lesen, als in ihrem eigenen Misthaufen nachzusehen. In einer Geschichte kann man mitfühlen, anstatt selbst fühlen zu müssen. Oder man endlich aufatmen und sagen: Genau! So geht es mir auch! Ich bin nicht allein in diesem Scheiß!
Gerade dieser Satz: Ich bin nicht allein in diesem Scheiß – andere fühlen das auch! war etwas, das ich mir während meiner Scheidung vor einigen Jahren sehr gewünscht hätte. Jemand, der mir erzählt hätte, dass er genau das Gleiche erlebt hat.
Nun. Heute bin ich es, der diese Dinge erzählt und anderen diese Möglichkeit bietet. Denn es ist an uns Schriftstellern solche Texte zu liefern. Vorzufühlen. Uns die Dinge ganz genau ansehen. Auch und gerade unsere Eigenen. Wir müssen unseren Scheiß sezieren und mit einem schonungslosen Blick offenlegen. Erst dann ist es echt. Erst dann hat es wirklich Wert. Für uns ebenso, wie für andere.
Aus diesem Grund ist es wichtig, eine Schreibroutine zu entwickeln, die jenseits unserer Geschichten und zu den veröffentlichenden Texten liegt. Seiten, auf denen wir einfach nur über das schreiben, was uns tief in uns drin bewegt. Ohne die Absicht, es zu veröffentlichen. Zumindest vorerst.
Das mögen die berühmten Morningpages sein. Oder ein Tagebuch. Oder eine detaillierte Selbstbetrachtung zu einem für uns belastenden Thema. Hauptsache, es ist ein Blick in den Spiegel. Ehrlich und unverstellt.
Und dieser Blick ist - naturgemäß – eher selten so richtig bequem. Tatsächlich lässt sich wohl sagen: je ehrlicher, desto unbequemer.